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Das Bertholdslied
Das Bertholdslied ist das wohl bekannteste und wichtigste Gedicht lindischen Kulturguts. In fünf Aventüren wird das Leben von Berthold dem Standhaften erzählt, vom Kennenlernen seiner Eltern bis hin zu seinem letzten Duell gegen den roten Ritter, der sich ihm als Taran selbst offenbarte und ihn zu sich nach Aegenhall holte. Dabei gilt die fünfte Strophe, die Bertholds Heimkehr nach der Schlacht von Kereth Hall und sein Verschwinden behandelt, als verloren. Der Text wird entweder vorgelesen, oder gesungen, wobei sich keine einheitliche Interpretation und Melodie durchsetzen konnte und das Lied so in den verschiedensten Varianten und Arrangements gesungen wird. Wer der tatsächliche Urheber des Textes ist, ist nicht bekannt und über seine Entstehung ranken sich einige Mythen.
I. Aventüre: Von Gautwin und Gudula
Es war vor Tag und langen Zeiten
tief im Herz von Köhlerland
ein junger Fürst das Land zu leiten
Gautwin mit der starken Hand
Ein Held aus alten Tagen
Er ritt des Tags durch licht's Geerle
als dort umhüllt von Sonnenglanz
so schön als Reinheits Lichtes Perle
er sie erblickt im holden Tanz
all Welt zu überragen
Es kam dass er von Lieb entbrannte
dem Mädchen seines Traums gewahr
und größer als man je sie kannte
war seine Lieb zu Gudula
doch traurig war ihr Blick
Denn nie sollt jemand nur sie lieben
nie sollt ein Herz das ihre sein
gar graus von Hass und Leid getrieben
sollt sähen ihre Frucht nur Pein
so war der Götter Strick
Oh Sechse mahlt's in eurer Mühle
nehmt euch doch alles mein als Pfand
s'ist neben dem was ich jetzt fühle
doch alles makelafter Tand
So flehte er und litt
Und alle Angst in Lieb verflossen
dort wohlig unterm Lindenbaum
wo grün Lesaras Blumen sprossen
erfüllten sie sich ihren Traum
ein folgenschwerer Schritt
So wars dass Glück sie überkam
doch nur befristet wohl gewusst
denn Gudula die edle Dam'
trug Berthold unter ihrer Brust
die Zeit wurde zur Plage
Drei Tage lag sie schwach hernieder
gepeinigt von der Götter Zorn
doch dann tief drin im lichten Flieder
war Berthold ihrem Schoß gebor'n
am letzten ihrer Tage
Als er sein totes Weib erblickte
die ihm sein größtes Glück gewährt
sah er wie seine Welt entrückte
da schenkte er sich seinem Schwert
Und die Vögel schwiegen
Das ganze Land schien still zu stehen
lag sterbend seiner Trauer dar
Nie hat man größ're Lieb gesehen
als Gautwins oder Gudulas
den Weltschmerz zu besiegen
II. Aventüre: Von der Reinheit der Liebe und Bertholds Jugend
Erwin wars der Sohn des Windes
der Berthold fand in Mutters Blut
erbarmte sich des armen Kindes
und sprach ab heut sei'n wir uns gut
an dir bin ich nun reich
Da schiens als tät die Sonne brechen
Der Himmel barst gar graus entzwei
Man hört Herrn Tarans Stimme sprechen
Vom Wege hallt sein Schritt herbei
Dem Donnern Glocken gleich
Wie konnte sie, dies arme Weibe
missachten meiner Brüder Spruch
Ein Kind aus ihrem toten Leibe
Mag bringen gräulich Weltenbruch
erklangs wie tausend Mann
Getan nun wird was ich erzwinge
So bös man mirs auch werten mag
Leg hin dies Kind vor mich und singe
ein Loblied mir, dann harr dem Schlag
er hob den Hammer an
Herr Taran halt, magst mich erschlagen
Des Frevels den ich dir tu an
Doch lass mich diese Worte sagen
obs dieses Kind noch retten kann
Aus Liebe sie verging
Steht sie nicht ob uns allen Richtern
Und jedem Spruch aus unsrem Mund
Und ist nicht sie bei all den Dichtern
des Lebens einzig wahrer Grund
verschonen will ich ihn
So wuchs heran mit edlen Sinnen
des Erwins Knapp zur vollen Pracht
doch wollt auch dies Schlacht der gewinnen
zerbrach er fast an Bertholds Macht
und derer seiner Frag
Warum der Mutter Fürsorg fehlte
wie gut sein Lehrer ihm auch war
er ohne Vaters Rat sich quälte
so legt er seine Sorgen dar
Für Erwin wars ein Schlag
Wie könnt er je dem Kind berichten
Das schlimmste Leid in jener Zeit
wo sollte es noch Hoffnung sichten
ins Sterben schiens ihm das Geleit
Doch hörte er die Bitt'
Der Jung vernahm die Schicksalsschlinge
die seiner Eltern Nacken brach
Und ging da nieder ob dies Dinge
blieb starr des Winters Nächte wach
war standhaft aber litt
III. Aventüre: Von Bertholds Heldentaten und seinem Zwiespalt mit Taran
Die Zeit schritt fort, er reift' zum Manne
wurd stark gemäß dem Lindenschlag
da schickt Herr Erwin ihn von dannen
auf dass er sich beweisen mag
Die Lehrzeit fand ihr Ende
So zog der Kämpe durch die Lande
schon bald zu manchem Heldenritt
zerschlug der dunklen Plage Bande
an derer da die Menschheit litt
Die Glocke schlug zur Wende
So ward er auch bei Hof empfangen
des Kaisers Fest sollt ihm gebührn
und dort von güldnem Tuch behangen
durft erstmals er die Liebe spürn
ihm wars als lernt er fliegen
Da floss des Bertholds Leben schneller
genoss des Sommers Freuden wohl
das Lebensheil mit seiner Hella
bevor die Pflicht zurück ihn holt
doch nie sollt er sie kriegen
Er schritt hinfort bei großen Klängen
beflügelt von der Liebsten Art
und fand bekannt aus tausend Sängen
der Götter Klinge, Maginhard
In Berges finstrer Kammer
Und so in Tarans Namen streitend
führt er der Linden Heere an
den neuen Mut im Land verbreitend
focht selbst so stark als hundert Mann
verjagt der Menschen Jammer
Doch dann bei Winters tiefster Stille
als Berthold Hellas Heim besucht
erfuhr er blass von Tarans Wille
hört ihren Tod und sprach den Fluch
Zur Noktur fahr der Herr
Ihr Götter feig in Hallen weilend
gewährt den Menschen ihre Pein
Nicht länger eure Schritte eilend
soll nun mein Schwert zerbrochen sein
beendet Bertholds Wehr
Da donnerts wild und als geschehen
stand Taran wieder seiner dar
und Berthold konnt die Trauer sehen
wurd wahrer Götterkraft gewahr
die ihn der Lieb beschnitt
So flucht er weiter Tarans Namen
und dieser ließ ihn stumm gewährn
doch konnt er zeigen kein Erbarmen
lies ihn da bloß ob sein Begehrn
Und Berthold stand und litt
IV. Aventüre: Von der Plage und Bertholds Sieg über sie
Kein Fels schien nun mehr Halt zu geben
die Welt der größten Wehr beraubt
Am Ende schien nun jedes Leben
Der Untergang wohl fest geglaubt
Doch Berthold konnt nicht streiten
Und aller Mütter Trauerlieder
verhallten ungehört von ihm
Verschlossen waren Ohrn und Lider
Weils Leben ihm verloren schien
Zur Schlacht nichts mocht ihn leiten
Da schritt herbei des Windes Sohne
der Erwin, dem er Mündel war
Wenn Trauer dich auch nicht verschone
nimm doch des Ritters Pflichten wahr
So biss er sein Gewissen
Und aus der Esse weißen Feuern
in neuem Glanz, bereit zur Schlacht
den Ritterschwur wohl zu erneuern
ward Maginhard zum Held gebracht
Der zogs und rief beflissen
Ihr Linden, stärkste eures Schlages
steht auf und folgt zu dieser Fahrt
Und so erstritt des neuen Tages
Beginn er nun, nach Lindenart
Und alle Welt kanns schauen
Aus größtem Reich und kleinstem Flecken
von ganzer Welt und überall
eiln nun herbei des Bertholds Recken
zur letzten Schlacht bei Kereth Hall
Die Zukunft zu erbauen
Und dort wo Meer und Fels sich grüßen
verdunkelte sich Bergeshang
heut mögt ihr alles Unheil büßen
Ein End setz hier ich Angst und Bang
so sprach er ohne Zittern
Das Schlachten wehrte Mond und Sonnen
Wollt keiner Seit zu Willen sein
Hab ich dies Kampf hier wohl begonnen
So mag ich auch sein Ende sein
Den Tod konnt man nun Wittern
Denn Berthold stand allein zum Hiebe
des dunklen Teufels, höllengleich
und dacht er schon, s'ist das, was bliebe
da führt Herr Taran seinen Streich
Den Sieg er so erstritt
Als so die neue Welt geschaffen
und jeder Mann nur Brüder sah
sah er der Seele Wunden klaffen
des Schicksals und des Leids gewahr
So stand er da und litt
V. Aventüre: Von Bertholds Taufe und seinem Einzug nach Aeganhall
Der Text der fünften Aventüre gilt als verschollen. Es heißt, dass Berthold dort Taran selbst in der Gestalt eines rot gekleideten Ritters gegenüber tritt, welcher sich nach einem kurzen Zweikampf offenbart und Berthold nach Aegenhall einlädt, aber auch andere Gerüchte über den Inhalt der fünften Aventüre sind in Umlauf.